CAST AWAY – Teil 1
„ARNOLD? ARNOLD!…“ Immer und immer wieder höre ich meinen Namen. „ARNOLD!“ Ich schüttele ungläubig mit dem Kopf. Es kommt mir vor, als würde das große, unendlich weite Meer mir einen Streich spielen. Oder ist es jetzt schon so weit, dass ich anfange durchzudrehen? Halluzinationen? Ja, ich bin geschwächt, hungrig und die Sonne macht mir zu schaffen. Wahrscheinlich ist es ein Sonnenstich! „ARNOLD! Sind Sie Arnold?“ Woher kommen diese Rufe? Jetzt sind es ganze Sätze! Sie klingen so echt! „Ja, ich bin Arnold!“, flüstere ich vor mir her. Jetzt ist es so weit – Ich führe Selbstgespräche.
Aufgewachsen bin ich auf den Philippinen. So wie viele Filipinos, bin auch ich in eine Fischerfamilie hineingeboren. Mein Großvater war Fischer, mein Vater war Fischer und so sind auch ich und meine Brüder Fischer geworden. Was bleibt einem auch anderes übrig. Umgeben von Wasser auf einer Insel. Fischen – Eine Tradition, die gezwungener Maßen fortgesetzt wird.
Immer wieder träumte ich in meiner Hängematte aus alten Fischernetzen, wie schön es doch wäre, ein Restaurant zu führen, um Gäste aus aller Welt mit philippinischen Köstlichkeiten zu verwöhnen. Oder so ein kleines Gästehaus, um Reisende aus allen Richtungen zu beherbergen. Doch uns Fischerleuten belastet ein Schicksal: Es fehlt das nötige Startkapital. Die Mieten sind teuer und gute Lokale sind unbezahlbar. Also bleibt uns Fischern meistens nichts anderes übrig, als die Tradition fortzusetzen und täglich in der Dämmerung auf‘s Meer hinaus zu fahren, um zu fischen.
Die Konkurrenz im Fischerdorf war groß. Nahezu jeder fischte die Meere leer. Das Fischangebot auf den Märkten war riesig und die Preise sanken in den Keller. Ich verdiente fast gar nichts mehr mit meinem spärlichen Fang. Ich machte mir Sorgen – Wie sollte ich in Zukunft meine Familie ernähren? Mit Ende 20 auf der Straße landen, wollte ich nicht. Also entschlossen meine Frau und ich zu sparen. Wir sparten für einen Flug. Auswandern! In ein anderes Land. Ein Land, in dem wir uns erhofften, eine bessere Arbeit zu finden. Ein Land, in dem man Geld verdienen könnte. Ein Land, in dem wir keine Existenzängste mehr haben müssten.
Eines Tages sagte man mir: „Arnold, versuch es mal mit Palau. Dort gibt es viel Arbeit.“ Es sind schon viele Filipinos nach Palau rüber gegangen und sind nicht zurück gekehrt, scheinbar geht es ihnen dort gut. Warum also nicht?
Im Jahr 2000 war es dann so weit. Wir verwirklichten unseren Traum. Wir setzten uns in den Flieger und flogen in ein neues Leben – Wie flogen in das gelobte Palau!
Ich bekam recht schnell einen Job. Ich wurde wieder Fischer. Auf Palau ließ sich mit dem Geschäft anfangs mehr verdienen, als auf den Philippinen. Anfangs.
Wir ließen uns auf der Insel Peleliu nieder. Eine kleine Insel im Süden Palaus. Der Staat beschäftigte mich, das Meer wurde erneut zu meinem Arbeitsplatz und die Angelschnur mein Werkzeug. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat es nie gegeben. Alles wurde per Handschlag abgemacht. Die Palau-Regierung erhält am Ende des Tages 1/3 meines Fischfangs. Im Gegenzug dazu wurde mir der Sprit für das Boot bezahlt. Und bei einem Literpreis von 5,75 $ war das mehr als gut. Ich war glücklich. Einen besseren Deal konnte ich mir nicht vorstellen und willigte ein.
Meine kleine Familie und ich waren glücklich. Wir hatten mehr als auf den Philippinen. Ein schönes Grundstück, einen Job und reichlich Fisch, der auf dem Markt gut bezahlt wurde.
Doch das gute Glück hielt nicht lange an!
Es war ein schöner sonniger Morgen, nur wenige Wolken hingen am Himmel. Meine Frau legte mir einen Laib Brot mit zwei Flaschen Wasser bereit. Routiniert verabschiedete ich mich von meiner Liebsten und ging zu meinem Fischerboot. Ich löste die Leinen, startete den Motor und fuhr wie jeden Morgen ins Meer hinaus. Ich machte mir keine Gedanken mehr darüber, wie viel Fisch ich fangen würde. Ich war frustriert. Traurig. Vor einigen Tagen forderte die Regierung mich auf, meinen gesamten Fang gegen eine kleine, mickrige Bezahlung abzugeben. Das machte mich sehr unglücklich. Ich habe schnell die Freude an meiner Arbeit verloren. Und so sollte es in Zukunft laufen.
Meine Arbeit machte keinen Sinn mehr.
Und gerade an diesem Tag, 5 Jahre nachdem wir auf Palau Fuß gefasst haben, erschien mir meine Arbeit sinnloser, als je her. Ich war mit den Gedanken weit weg. Wütend über die Regierung und besorgt um meine Familie. Sollten wir zurückkehren?
Wütend biss ich in mein Brot und machte mich langsam fertig für das Fischen, denn ich nähert mich einem Riff mit reichlich Fisch – doch zum Fischen kam nicht mehr.
Plötzlich ein Knall und ein Ruckeln… Was ist passiert?
Fortsetzung folgt…